Ein neuer Blick auf Suchterkrankungen
Durch die Koordination des digitalen Perspektivwechsels im Rahmen des Potentialentwicklungsprogramms der Weser-Elbe Sparkasse habe ich in Absprache mit dem Vorstand im Nachgang die Chance bekommen, einen fünftägigen persönlichen SeitenWechsel zu durchleben. Zu Beginn habe ich gemeinsam mit Elke Sank, der bundesweiten Programmleiterin, überlegt, welches Thema bzw. welche Einrichtung für mich in Frage kommt. Schnell fiel meine Entscheidung auf den Hof Düring in Loxstedt / Düring.
Bei dem Hof Düring handelt es sich um eine Therapieeinrichtung für Menschen, die aufgrund ihrer Suchterkrankung chronisch und/oder mehrfach geschädigt sind. Voraussetzung für die Aufnahme auf dem Hof ist Abstinenz. Langfristige Abstinenzerhaltung ist eines der Ziele auf dem Hof, die Bewohner haben allerdings die Möglichkeit, ein Substitut zu erhalten. Die Bewohner, die auf dem Hof leben, sind nicht in der Lage, eine berufliche Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt auszuführen, und erlernen hier eine Tagesstruktur. In der morgendlichen Runde wird verkündet, wer am jeweiligen Tag in der Holzwerkstatt, im Garten, in der Küche, in der Waschküche, in der Nähwerkstatt, in der Fahrradwerkstatt etc. seine Arbeit leistet.
Ziel der Einrichtung ist es, dass die Bewohner irgendwann wieder in der Lage sind, auf eigenen Beinen zu stehen und arbeiten können, ohne, dass sie rückfällig werden. Zeitlich ist dort kein Ziel gesetzt, einige Bewohner leben bereits viele Jahre auf dem Hof und es ist ihr zu Hause geworden. Am Nachmittag nach der Tagesstruktur können sich die Bewohner frei bewegen und den Hof für Aktivitäten oder Arztbesuche verlassen. Jeder Bewohner hat einen Bezug zu einem Angestellten, diese gehen regelmäßig in den Austausch und schauen, was den Bewohner helfen könnte.
Vor dem Aufenthalt auf dem Hof war es für mich persönlich schwer greifbar, dass es sich bei einer Suchterkrankung wirklich um eine Krankheit handelt. Durch die Begleitung der Tagesstruktur und in den einzelnen Gesprächen mit den Bewohnern, in denen sie mir Ihre Geschichten und Hintergründe erzählt haben, wurde mir schnell klar, warum es sich um eine Krankheit handelt und wie es ist, dieser Krankheit einfach nicht mehr entfliehen zu können. Besonders beeindruckt hat mich die Offenheit der Bewohner mir gegenüber, denn im Endeffekt war ich ein völlig fremder Mensch für sie.
Aus der Woche auf dem Hof habe ich beruflich wie privat viele neue Eindrücke und Erkenntnisse mitgenommen. Über einige Dinge denke ich nun ganz anders nach und habe mein Leben nochmal von einer ganz anderen Seite lieben gelernt. Alle, die in einem familiären und liebevollen Umfeld aufgewachsen sind und leben, können sich glücklich schätzen.
Anna-Lena Neide, Wohncierge und Teilnehmerin des Potentialentwicklungsprogramms der Weser-Elbe Sparkasse