Wir sind bewegt, beeindruckt und bereichert
Für jeweils eine Woche sind Führungskräfte der Weser-Elbe Sparkasse in eine andere Rolle bei einer sozialen Einrichtung geschlüpft, um aus einer anderen Perspektive auf das Leben und die Arbeit zu schauen. Fünf von ihnen schildern hier ihre Erfahrungen.
Praktikant, Pflegekraft, Betreuer, Patientenblick… statt Managerjob? Warum sollten wir das tun und wobei hilft das? Ja, darüber haben wir viel diskutiert. Heute liegen sechs SeitenWechsel hinter uns und wir sind bewegt, beeindruckt, bereichert, bewusster, betroffen und schlichtweg dankbar!
Birte Zöllner war in einer Fachklinik für die Rehabilitation von Menschen mit Drogenproblemen.
Sie hat die Woche mit den Diensten, Therapien, Kursen auf der Ebene der Rehabilitanden verlebt.
„Wenn man denkt man kennt sich gut in der Welt aus, wird man durch einen SeitenWechsel aufgeweckt. Mein Verständnis für Problemsituationen, wie und warum diese entstehen ist deutlich erweitert worden. Die Dankbarkeit für mein gutes Umfeld und für meinen Weg ist parallel zu der Erkenntnis gewachsen „es hätt auch anders kommen können!“ Und dank der offenen, vielfältigen, ehrlichen und emotionalen Kontakte wurde zudem noch mein persönliches Wissen, wie z.B. zu Kommunikationsthemen ausgeweitet. Das war eine bereichernde Woche, die in meinem Herz und Kopf einen Stammplatz behält.“
Bernd Meenzen war im Arche Zentrum, einer Einrichtung für psychisch kranke Erwachsene des diakonischen Werks Bremerhaven e.V., Leherheide.
Er unterstützte die Betreuer bei ihrer Arbeit.
„Trotz des sehr kurzen SeitenWechsels von „nur“ einer Woche waren und sind die Eindrücke in der Arche sehr berührend und nachhaltig. Einerseits haben mich die zum Teil sehr tragischen Schicksale, die hinter den individuellen psychischen Erkrankungen und Lebensläufen der Klienten stecken, sehr bewegt. Des Weiteren haben mich sowohl die Offenheit und Herzlichkeit der Klienten als auch die Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt des Betreuerteams (meine KollegInnen) der Arche tief beeindruckt. Alles in allem bin ich nach kurzer Zeit ziemlich geerdet und demütig in die Sparkasse zurückgekehrt. Ich bin sehr dankbar für die Gelegenheit, den SeitenWechsel gewagt haben zu dürfen und möchte diese intensive Erfahrung nicht mehr missen.“
Peter Klett war in der Psychiatrischen Tagesklinik des Klinikums Bremen-Ost.
Neben der tagesklinischen Behandlung erhielt er auch einen Einblick in die psychosomatische Medizin und die forensische Psychiatrie.
„Am meisten hat mich beeindruckt,
• welche schwerwiegenden psychischen Erkrankungen und akute seelische Krisen Menschen haben, vor deren Hintergrund bisherige eigene Erlebnisse im Berufs- und Privatleben – frei nach Reinhard Mey – vergleichsweise nichtig und klein erscheinen.
• dass diesen Menschen – trotz aller Widrigkeiten und auch Rückschlägen – geholfen wird, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
• dass die MitarbeiterIinnen in der Tagesklinik mich sehr offen aufgenommen und an vielen Aktivitäten mit den Patienten haben teilnehmen lassen (z.B. Ergotherapie, Musiktherapie, Klangschalenmassage) und trotz der Schwierigkeiten (Personalfluktuation und –mangel) ein tolles Team bilden und einen phantastischen Job machen.“
Stephan Stolter war in der Fachklinik Bokholt.
In dieser Zeit hat er drogenabhängige Jugendliche in ihrem Alltag und bei allen Gruppenaktivitäten begleitet.
„Was war dabei am „beeindruckendsten“? Ein Junge hatte eine „erstaunliche“ Vita. Mit 8 Jahren hat er angefangen zu rauchen, mit 10 Jahren hat er erstmals Alkohol konsumiert und seit seinem 12ten Lebensjahr konsumiert er regelmäßig Drogen. Nun ist er 15 und steht ohne Halt und doppelten Boden da. Die Fachklinik arbeitet nach folgendem Leitbild: „Wir arbeiten nicht am Menschen, sondern mit dem Menschen. Basis unseres Handelns sind Verlässlichkeit und eine wertschätzende Grundhaltung“. Und dieses Leitbild haben die Mitarbeiter tatsächlich gelebt. Die Jugendlichen mit ihren kleinen und großen Problemen stehen absolut im Mittelpunkt. Daneben habe ich viel über Drogen und Drogenkonsum erfahren. Und das sind keine Einzelschicksale sondern ein gesellschaftliches Problem. Nicht nur in der Stadt sondern auch auf dem Land."
Jörg Gündling war im Obdachlosenasyl Café Papagei.
„Aus früheren Aktivitäten wusste ich, dass es was völlig anderes ist, dabei zu sein und mitzumachen, als darüber zu reden und Dokus anzusehen. Ich musste mich früh dem Vorurteil stellen vieles zu kennen. Jede Erfahrung ist anders und äußerst wertvoll.
Café Papagei, der Ort wo sich Wohnungslose, Berber und Hartz IV-Empfänger treffen, diskutieren, ärztlich versorgt, behördliche Themen organisieren und preiswert Essen können. Eingebunden sind Streetworker mit denen ich drei Tage auf der Platte unterwegs war - in den Notunterkünften beispielsweise. Diese Erfahrungen sollten prägend und überraschend intensiv für mich sein. Um diese intensiven Eindrücke zu verarbeiten, habe ich jeden Tag über eine Stunde die Erlebnisse auf mehreren Seiten niedergeschrieben.
Ein Highlight gab es nicht – jede Sekunde war ein Highlight für sich. Ob es die Begegnungen im Café, auf der Straße sowie die Gespräche mit den Teammitglieder waren, die mir oft eine neue Welt und Denkweise offenbarten. Ich kann die Wohnungslosen / Berber heute besser verstehen, d.h. nicht, dass ich alles gutheiße, aber ich bin heute weitgehend frei von negativen Gedanken gegenüber diesen Mitmenschen. Es ist wertvoll sich die Zeit zu nehmen ihnen aufmerksam zuzuhören und sie zu beobachten. Man erhält ein Gefühl für ihre erlebten Enttäuschungen, heftige kriminelle Vergangenheit, ihre Suchtprobleme und kann lernen, ihr Verhalten, ihre Demotivation und ihre Scheu vor uns Gutmenschen nachzuvollziehen. Verachtung und besseres Wissen ist hier völlig fehl am Platz.“
Gemeinsames Fazit der SeitenWechsler:
Natürlich standen uns in der Woche die Profis zur Seite, auch, um unsere Erfahrungen zu verarbeiten oder ins rechte Licht zu rücken. Die „Betroffenen“ sowie die Fachleute haben unsere Anwesenheit, unser Interesse sehr geschätzt und waren sehr offen für uns. Wir haben mitgearbeitet, aber vor allem viel gefragt und viel zugehört. So erfuhren wir in der Woche Biografien und Lebensverläufe, die von unserem Leben weit entfernt sind, aber die auch uns hätten treffen können. Wir lernten Hintergründe zu Erkrankungen und Entscheidungen kennen und konnten dafür ein neues / anderes Verständnis aufbauen. Nicht zuletzt haben wir auch viel über uns gelernt, konnten uns reflektieren, erleben, was bestimmte Dinge mit uns machen, haben eigene Werte überprüft, Schubladen aufgeräumt, haben Kommunikation und Bindungen aus einer anderen Warte erlebt und eine neue Sicht auf Probleme erhalten. Letztlich war es eine komprimierte Woche voll nachhaltiger Lebenserfahrung bei vielen Grenzbegegnungen.