Das Theaterprojekt der Jugendstraffälligen
Olaf Scheuble, Projektleiter SAP bei den Berliner Wasserbetrieben berichtet von seiner SeitenWechsel-Woche in der Jugendstrafanstalt Berlin.
Für meine Hospitationswoche standen für mich diese Fragen im Vordergrund:
Wie funktioniert eine Jugendstrafanstalt?
Was macht die Arbeit mit den Beschäftigten/den Führungskräften?
Wie sind die inhaftierten Menschen in der JSA?
Und darüberhinaus habe ich mich immer im privaten gefragt, ob die Hauptziele des Jugendstrafrechts -Erziehung und Wiedergutmachung- reell im Vordergrund des Schaffens stehen oder ein gesellschaftliches Feigenblatt sind?
Meine Woche hat mich dann in der Tat sehr beeindruckt und beschäftigt. Es war emotional für mich intensiv. Insbesondere das Vorhandensein von Gewalt, die allgegenwärtig ist und unter der Oberfläche schlummert und sich in Augenblicken Bahn brechen kann. Sie ist latent immer spürbar und trotzdem haben es die Kolleginnen und Kollegen geschafft, so etwas wie Normalität auszustrahlen. Dafür zolle ich Respekt. Ich fand den schmalen Grat zwischen persönlicher Nähe, die es im Umgang mit jungen Menschen braucht, und erforderlicher Distanz professionell. Das hat mich wirklich positiv überrascht und sich durch alle Stationen gezogen.
Die Frage nach dem Feigenblatt konnte ich sehr schnell verwerfen. Die Frage muss in der Realität -nach meinem Einblick- anders gestellt werden. Die JSA bietet allen gestrauchelten jungen Männern eine Chance auf einen neuen Start. Alle Beschäftigten haben die Sehnsucht nach dem Einen ausgestrahlt, der es will und der es schaffen kann. Aber die JSA ist nahezu am Ende von sehr früh sehr zerstörten Lebensläufen. Das ist mir bewusst geworden. Vielen kommen wieder, weil sie es nicht schaffen, aus dem Umfeld nachhaltig auszubrechen.
Das Leben der jungen Männer war dann von Macht und Status geprägt. Das war interessant aber dann irgendwie auch nicht verwunderlich, wenn es um Anerkennung in diesem sozialen Umfeld geht. Mir ist klar geworden, dass es immer ein Ranking gibt, auch wenn es schon sehr weit unten startet. Und manche wurden wohl in ihrer Kindheit so schlecht behandelt, dass es schwierig wurde, jemanden zu finden, über dem sie stehen.
Aber dann kam das Theaterprojekt und alles, was ich in den vier Tagen davor erlebt hatte, war mit einem Mal ungültig!
Die jungen Männer haben auf Augenhöhe selbst ein Werk erschaffen. Ich saß auf der Zuschauertribüne und konnte die Welt nicht mehr verstehen. Dieselben Leute, die eben noch über den Hof brüllen musste, um ihren Mann zu stehen, konnten es zulassen, die anderen zu fragen, wie ihre Stimme gewirkt hat und ob sie alles richtig gemacht hätten. Es war unfassbar und phänomenal. Eine großartige Leistung auch von den Leuten vom Theater, die diese Atmosphäre hergestellt haben. Man konnte spüren, wie die jungen Männer einen Selbststolz auf ihr Werk entwickelt haben, was wohl nicht oft der Fall war in ihrem Leben.
Leider hatte es durch Krankheit nicht geklappt, dass ich zur Aufführung gekommen bin. Darüber war ich richtig enttäuscht nach dieser Erkenntnis aus der Probe.
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