Wie ist die Lage im Café Augenblicke?
SeitenWechsel bietet Perspektivwechsel und Einblicke in Lebenswelten, mit denen unsere Teilnehmer/innen sonst wenig Berührung haben. Diese Einblicke möchten wir auch jetzt, während der Corona-Pandemie, bieten, wenn unsere Arbeit nicht durchführbar ist wie sonst.
Wir haben Anke Beceral, Fachbereichsleitung Café Augenblicke im JesusCenter e.V. gefragt, wie es den Kolleginnen und Kollegen, den Klientinnen und Klienten in ihrer Einrichtung geht. Das Café Augenblicke des JesusCenters ist seit über 30 Jahren Anlaufstelle für Wohnungslose, Drogenabhängige und Anwohner aus dem Schanzenviertel.
SeitenWechsel: Wie sieht die Lage bei Ihnen aus?
Anke Beceral: Das Café Augenblicke musste geschlossen werden. Unsere eigentliche Arbeit als Versorgungs-, Begegnungs- und Sozial-Treffpunkt ist also so nicht mehr möglich. Viele Gäste sind zwar mit Wohnraum versorgt und können sich immerhin isolieren, aber ihnen fehlen vor allem die Begegnung und die finanzielle Entlastung durch unsere Angebote. Gerade die obdachlosen Gäste sind hier noch schlimmer betroffen – die meisten nutzen das Winternotprogramm nicht, aus Angst vor Ansteckung oder auch weil die Wege viel zu weit sind. Insgesamt sind dennoch viele, gerade von den Älteren, überraschend gelassen. Vielleicht hat das mit Lebenserfahrung und Lebensgeschichten und -schicksalen zu tun!?
Fast alle unsere Gäste gehören zu den Risikogruppen. Das betrifft auch unsere vorwiegend ehrenamtlichen HelferInnen. Daher war unsere Entscheidung zur Schließung auch eine fürsorgliche. Indem wir unser Angebot vorübergehend eingestellt haben, werden aber auch Kapazitäten für andere aktive Hilfen frei, zum Beispiel bei der Hamburger Tafel. Aus dem Homeoffice heraus arbeite ich vor allem an der Kontaktpflege und versuche via Telefon, E-Mails und Post zu beraten, zu vermitteln, zu ermutigen, zu informieren, zu vernetzen … was eben so geht. Auch ist endlich mal Zeit für digitales Aufräumen, kreatives Arbeiten oder viel zu lang beiseitegelegte Aufgaben.
Die Schließzeit des Café Augenblicke ist zunächst bis zum 17. April geplant. Danach prüfen und bewerten wir die Situation neu. Seit dem 31. März haben wir für unsere StammnutzerInnen das Duschangebot wieder geöffnet, allerdings sehr begrenzt und kontrolliert, auf ein Minimum beschränkt. Unsere wöchentlichen Andachten erscheinen jetzt immer freitags um 13.30 Uhr online – das erreicht ganz neue Menschen und macht unsere eigentlichen Angebote gleichzeitig erfahrbarer.
SeitenWechsel: Wie können die Menschen Sie als Einrichtung unterstützen?
Anke Beceral: Die vielen Anfragen und Ideen von außen begeistern. So hatte ein ehemaliger Seitenwechsler Taschen für die Lebensmittelverteilung der Hamburger Tafel organisieren können. Der Vater einer ehemaligen Praktikantin konnte das Büro-Obst an uns spenden, da in der Firma komplett auf Homeoffice umgestellt wurde. Hier schlossen sich dann weitere Firmen an. So können wir DuschnutzerInnen, Jugendliche, die wir im Haus betreuen, SeniorInnen in der Nachbarschaft und MitarbeiterInnen mit frischen Vitaminen versorgen.
Was uns beschäftigt: Unsere Arbeit finanziert sich fast ausschließlich über Spenden. Laufende Kosten bleiben bestehen, Personalkosten auch und dazu kommen Extra-Ausgaben für die besondere Situation, wie zum Beispiel Hygienemittel. Gerade können wir auch keine Lebensmittelrücklagen schaffen, etwa mit haltbaren Lebensmitteln, wie etwa Nudeln oder Konserven.
Ich wünsche mir daher, dass die aktuelle Hilfsbereitschaft, der Gemeinschaftssinn, die Kreativität und das Zusammenrücken trotz sozialer Distanz erhalten bleiben, wenn die Krise überwunden ist. Viele Menschen entdecken gerade ganz neue Perspektiven, Blickwinkel und Möglichkeiten der Partizipation. Das ist wertvoll und chancenreich für eine nachhaltig veränderte Gesellschaft. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr unkomplizierte, direkte Hilfen möglich werden.
SeitenWechsel: Welche guten Seiten hat die Situation im Moment? Was könnte positives daraus entstehen?
Anke Beceral: Alle Menschen sind betroffen – auf ganz vielfältige, unterschiedliche Weisen. Somit kann für jeden etwas daraus entstehen. Manches ist banal, zum Beispiel können wir aufgrund der Schließung des Cafés leichter Handwerksarbeiten durchführen. Darüber hinaus erlebe ich die Menschen, bei aller Distanz, offener, geduldiger, bewusster, dankbarer. Wie schon gesagt ist hier mein Wunsch, dass sich auch langfristig diese Veränderungen etablieren und die Gesellschaft in Bewegung bringen.