Wie ist die Lage im Hamburger Hospiz?
SeitenWechsel bietet Perspektivwechsel und Einblicke in Lebenswelten, mit denen unsere Teilnehmer/innen sonst wenig Berührung haben. Diese Einblicke möchten wir auch jetzt, während der Corona-Pandemie, bieten, wenn unsere Arbeit nicht durchführbar ist wie sonst.
Wir haben Kai Puhlmann, Hospizleitung im Hamburger Hospiz e.V. gefragt, wie es den Kolleginnen und Kollegen, den Klientinnen und Klienten in seiner Einrichtung geht.
SeitenWechsel: Wie sieht die Lage bei Ihnen aus?
Kai Puhlmann: Zunächst die gute Nachricht: bisher ist weder ein Hospizgast noch ein Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert worden. Daher können wir unsere Arbeit mit den sterbenden Menschen fortsetzen. Die Verunsicherung durch Corona ist aber auch in unserem Haus spürbar: wie können wir die allgemeinen Hinweise (die sich fast täglich ändern) zum Umgang mit der Infektion in unserem Hospiz angemessen umsetzen? Diese Frage stellt sich uns im Alltag jeden Tag wieder neu. Insbesondere belasten unsere Gäste die Einschränkungen der Besuche, die auch bei uns notwendig sind, um Mitarbeiter und Gäste zu schützen. Auch für die Zugehörigen, die in der Lebensphase bei ihren Liebsten sein möchten, ist dies sehr schmerzlich. Aber im Gegensatz zu anderen Einrichtungen dürfen wir im begrenzten Umfang unter besonderen Auflagen (z.B. Mundschutz tragen) Besuche zulassen, das erleichtert es ein wenig, trotz der Einschränkungen eine würdige Begleitung zu ermöglichen. Außerdem werden verstärkt andere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme genutzt: Telefon, Skype und auch das Briefeschreiben erlebt eine Renaissance. Wir sehen im Haus viel Verständnis und Akzeptanz für die getroffenen Entscheidungen.
Auch unser Ambulanter Hospizberatungsdienst steht weiterhin mit Rat und Beistand zur Verfügung. Die von dort vermittelten Ehrenamtlichen mussten zwar ihre Besuche zu Hause, in den Pflegeheimen und Krankenhäusern weitestgehend einstellen, halten aber den Kontakt über längere Telefonate mehrmals in der Woche. Auch unsere Arbeit für Trauernde läuft weiter. Die Trauergruppen finden z.B. jetzt in Form von Telefonkonferenzen statt. So ist also aktuell besondere Kreativität gefordert.
SeitenWechsel: Wie können die Menschen Sie als Einrichtung unterstützen?
Kai Puhlmann: Die Hospizbewegung ist in ihrem Ursprung eine bürgerschaftliche Bewegung – das ist bis heute erhalten geblieben. Mehr als 100 Ehrenamtliche unterstützen uns heute auf vielen Ebenen und helfen uns auch in diesen schwierigen Zeiten: Mundschutz selber nähen, Blumen besorgen, Kuchen backen und vieles mehr. Das wissen wir sehr zu schätzen und ist ein gutes Beispiel, wie wichtig gesellschaftliche Solidarität in Krisenzeiten ist. Natürlich freuen wir uns neben der tatkräftigen Unterstützung auch über Geldspenden, denn Hospize müssen traditionell einen Teil ihrer Kosten über Spenden finanzieren.
SeitenWechsel: Welche guten Seiten hat die Situation im Moment? Was könnte positives daraus entstehen?
Kai Puhlmann: In dieser Situation wird allen deutlich, was eigentlich die wirklich „systemrelevanten Berufsgruppen“ sind: die Kräfte im Lebensmitteleinzelhandel, die LKW-Fahrer und zuallererst die Pflegekräfte, die sich – wie auch bei uns im Haus – mit viel Einsatz und Engagement unter manchmal schwierigen Bedingungen für Kranke einsetzen. Wenn als Folge der Krise die Wertschätzung und die Bezahlung für diese Berufsgruppen dauerhaft steigen, wäre das eine sehr erfreuliche Auswirkung dieser Zeit. Außerdem erlebe ich die spürbare Entschleunigung der Gesellschaft als wohltuend und sie führt hoffentlich zur Besinnung auf das eigentlich Wesentliche im menschlichen Zusammenleben: Kontakt und Beziehung.