Im Fokus: Vom Durchhalten und Dranbleiben als nützliche Qualitäten in Phasen der Veränderung
„Ich will euch mein Erfolgsrezept verraten: Meine ganze Kraft ist nichts als Ausdauer.“ (Louis Pasteur)
Beharrlich verhindert Corona die Rückkehr zum “alten Normal“. Und das Neue ist noch nicht richtig greifbar. Jeder Mensch und jedes Unternehmen geht anders mit dieser riesengroßen Herausforderung um.
Ob Jobverlust, gesundheitliche Konsequenzen, gar der Verlust geliebter Menschen – es gibt wohl kaum jemanden, an dem diese Krise ganz spurlos vorbeigegangen ist. Und der mittlerweile weitverbreitete Gruß “Bleibt gesund” hat Einzug in unsere E-Mails gefunden.
Um aus der Ohnmacht wieder mehr in ein schöpferisches Handeln zu kommen, könnte es hilfreich sein, dass wir uns die Kraft des menschlichen Durchhaltevermögens und unserer Widerstandskräfte bewusst machen.
“Verlust“ von Unternehmensrealitäten
In die Organisationentwicklung – und hier im Schwerpunkt Change-Management – hat ein Modell Einzug gehalten, welches die schweizerisch-US-amerikanische Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross für die Sterbebegleitung entwickelt hat. Der “Verlust“ von Unternehmensrealitäten im Rahmen von komplexen Veränderungsprozessen – sei es die Ausgliederung einer Produktlinie nach Asien, der Aufkauf eines Unternehmens oder die Integration von SAP: Veränderungen sind mannigfaltig und prägen unsere Zeit mehr denn je.
In diesem Modell werden unbewusste Strategien zur Bewältigung extrem schwieriger Situationen beschrieben. Es gibt keine festgelegte Reihenfolge und keinen Ausschluss der Wiederholung einzelner Phasen nach deren erstmaliger Bewältigung. Einzelne Phasen können gar ganz ausbleiben.
Change-Management
Die von Kübler-Ross beschriebenen Phasen sind die folgenden: 1. Nicht-wahrhaben-Wollen, 2. Zorn, 3. Verhandeln, 4. Trauer und 5. Annahme.
Insgesamt bergen diese Phasen ein großes Energiepotential – im Guten, wie im Schlechten. Zeigen sich die ersten vier Phasen als Widerstand, z.B. über einen hohen Krankenstand, dann geht das meistens einher mit einem spürbaren emotionalen Verschleiß in der Organisation.
Und wenn eine Veränderungsinitiative in einer nur geringen Umsetzungstiefe auf die andere folgt, können Organisationen gar “neurotisch“ werden. In das vorgestellte Modell übertragen, stecken die Mitarbeitenden dann in unterschiedlichen Verarbeitungsphasen fest. Sicherlich grundsätzlich ein spannender Gedankengang, im besten Fall verbunden mit dem ein oder anderen Erkenntnis-Moment aus dem eigenen beruflichen Erleben der letzten Jahre.
Eine der Herausforderungen für Führungskräfte: wie begleite ich mein Team am besten m in Richtung “Annahme“?
Der SeitenWechsel als Instrument in Veränderungsprozessen
Wichtig ist das Dranbleiben an diesem längeren Prozess. Dies gilt natürlich sowohl für die Führungskräfte selbst als auch für alle ihre Teammitglieder. Das geduldige und beharrliche Fortsetzen des Austauschs, der Begegnung und der Beziehung auch unter den schwierigsten Umständen, das lässt sich gut “üben“ bei einem SeitenWechsel z.B. in der Wohnungslosenhilfe oder der Drogenhilfe. Denn auch wenn ein Mensch den dritten Rückfall erleidet oder einfach weiter “Platte machen möchte“ – die Mitarbeitenden der sozialen Einrichtungen bleiben weiter an ihm dran.
Ganz besonders wichtig für Führungskräfte ist das Akzeptieren, dass Geschwindigkeit, Reihenfolge und Widerstands-Intensität der Mitarbeitenden in Veränderung ganz individuelle Prozesse sind. Zwar kann sich das Unternehmen wünschen oder gar erwarten, dass die Mitarbeitenden mitkommen. Doch ob dies in dem gewünschten Maße geschieht, ist eine freie Entscheidung. Alles was die Leitung tun kann, ist den Menschen zuzugestehen, dass sie in ihrem Rhythmus durch diese Etappen gehen und ihnen einen Raum anbieten, dies zu tun und sich mitzuteilen – mit Geduld, Gleichmut und einem hohen Maß an Empathie.
In diesem Sinne: bleiben Sie – auf allen Ebenen – gesund!
Elisabetha Link und Oliver Hirsch